Schlafzyklen mit verschiedenen Schlafphasen
Die Erforschung der Schlafphasen begann mit einer Art Paukenschlag. Im Jahr 1862 untersuchte Ernst Kohlschütter das menschliche Schlafverhalten und holte seine Testpersonen mit einem Schallpendel unsanft aus dem Schlaf. Mal schreckten die Schlafenden fast augenblicklich hoch, mal fanden sie trotz des lauten Knalls nur schwer in den Wachzustand. Im Laufe der Nacht war der Schlaf offenbar unterschiedlich tief, wobei Kohlschütter ein typisches Muster unterschiedlicher Schlafphasen zu erkennen glaubte. Er sollte Recht behalten.
Gesunder, erholsamer Schlaf besitzt eine bestimmte Architektur: Phasen unterschiedlicher Schlaftiefe folgen aufeinander und bilden einen typischen Schlafzyklus, der sich mehrmals pro Nacht wiederholt. In einer Nacht werden vier bis sieben Schlafzyklen durchlaufen, die jeweils etwa 90 bis 110 Minuten dauern.1,2 Je nach Schlaftiefe ist die Weckschwelle niedriger oder höher.
Inzwischen wurden die einzelnen Schlafphasen mit modernen Untersuchungsmethoden genauer erforscht. Im Schlaflabor kann man mittels Polysomnographie eine Vielzahl von Körperfunktionen im Schlaf messen und aufzeichnen.
Vor allem die Enzephalographie – die Aufzeichnung der Hirnströme – hat wichtige Erkenntnisse über den Aufbau eines gesunden Schlafs geliefert. Das Elektroenzephalogramm (EEG) bildet die Nervenaktivität in der Gehirnrinde ab.3 Man kann diese Untersuchung im Wachzustand durchführen, aber auch während des Schlafens im Schlaflabor.
Bei einer Enzephalographie werden Elektroden mit einem Kontaktgel auf der Kopfhaut befestigt. Eine Kopfrasur ist nicht erforderlich, die Haare sollten aber frisch gewaschen sein. Von den Elektroden führen Kabel zum EEG-Gerät, das die registrierten Hirnströme aufzeichnet.
Das EEG eines gesunden Menschen hat ein typisches Profil. Die Hirnströme verlaufen in Wellen von unterschiedlicher Frequenz (Häufigkeit der Ausschläge) und Amplitude (Höhe der Ausschläge). Kurze, hochfrequente Wellen kennzeichnen geistige Aktivität. Langgezogene Wellen sind charakteristisch für tiefen Schlaf. Der Wachzustand sowie die verschiedenen Schlafphasen weisen unterschiedliche Hirnstrommuster auf.
Vom leichten über den tiefen Schlaf zum Traumschlaf
Nach dem Einschlafen gleiten wir langsam in einen immer tieferen Schlaf hinein.1,4 Auf die Einschlafphase (N1) folgt zunächst ein oberflächlicher Schlaf (N2), der in den Tiefschlaf (N3) übergeht. Diese Phasen werden als Non-REM-Schlaf zusammengefasst, um sie gegen den Traumschlaf – den REM-Schlaf – abzugrenzen, der den Schlafzyklus beendet. Erwachsene verbringen drei Viertel bis drei Fünftel der Nacht im Leichtschlaf, ein Viertel bis ein Fünftel im Tiefschlaf und ein weiteres Fünftel im REM-Schlaf. Bei Kindern sind die Anteile des REM-Schlafs deutlich länger.5
Im Verlauf der Nacht wiederholen sich Zyklen aus Non-REM-Schlaf und REM-Schlaf vier bis sieben Mal. Dabei werden die Tiefschlafphasen zum Ende der Nacht hin immer kürzer. Die REM-Phasen dagegen nehmen im Laufe der Nacht an Länge zu. Beides – die komplette Entspannung im Tiefschlaf, aber auch die Erlebnisverarbeitung im REM-Schlaf – sind für Qualität und Erholsamkeit des Schlafs von entscheidender Bedeutung.
Auf einen Blick: Die verschiedenen Schlafphasen
Non-REM-Schlaf (keine schnellen Augenbewegungen)
- Stadium N1: Einschlafphase, Halbschlaf
- Stadium N2 Leichter Schlaf
- Stadium N3: Tiefschlaf
REM-Schlaf (mit schnellen Augenbewegungen, Rapid Eye Movements, REM)
- Traumschlaf
Einschlafphase (N1): zwischen Wachen und Schlafen
Manche Menschen schlafen schon nach wenigen Minuten ein, bei anderen dauert es deutlich länger. In der Regel dauert die Einschlafphase bis zu 30 Minuten. Körper und Geist kommen zur Ruhe. Atmung und Puls werden gleichmäßig, die Muskeln beginnen sich zu entspannen. Die Hirnströme werden langsamer. Zunehmend werden wir unempfindlicher gegenüber äußeren Reizen.
In der Einschlafphase kommt es häufig vor, dass die Muskeln der Beine unkontrolliert zucken. Das hat damit zu tun, dass das Gehirn schneller heruntergefahren wird als die Muskulatur. Ebenfalls häufig hat man in dieser Phase das Gefühl zu stürzen, was auf Anpassungsschwierigkeiten des Gleichgewichtsorgans zurückzuführen ist. Die langsamen rollenden Augenbewegungen, die während des Einschlafens auftreten können, sind nicht zu verwechseln mit den schnellen Augenbewegungen des Traumschlafs.
Leichter Schlaf (N2): Die Muskulatur erschlafft
Gleich nach dem Einschlafen ist der Schlaf zunächst noch oberflächlich. Schlafmediziner bezeichnen diese Phase des leichten Schlafs, die rund 30 Minuten dauert, als Stadium N2. Auch jetzt sind wir noch relativ leicht zu wecken.6 Atmung und Herzschlag werden in der Leichtschlafphase noch stärker abgesenkt und die Muskelspannung lässt weiter nach. Auch die Muskulatur im Rachenraum ist davon betroffen, was bei manchen Menschen dazu führt, dass sie anfangen zu schnarchen. In vielen Fällen ist das zwar lästig, aber gesundheitlich unbedenklich. Anders bei der Obstruktiven Schlafapnoe (OSA), bei der es im Schlaf wiederholt zu Atemaussetzern kommt. Bei lautem Schnarchen und Tagesmüdigkeit sollte der Verdacht auf eine Obstruktive Schlafabnoe abgeklärt werden, denn es gibt wirksame Therapiemöglichkeiten.
Tiefschlaf (N3): entscheidend für die Regeneration
Wenn wir uns im Tiefschlaf (Stadium N3) befinden, weckt uns so leicht nichts auf. Der Tiefschlaf dient der Erholung und Regeneration. Das Gehirn als übergeordnete Schaltzentrale für alle Körperfunktionen hat auf Ruhemodus umgestellt. Der Blutdruck sinkt und das Herz schlägt langsamer. Der Spannungszustand der Muskeln wird noch weiter heruntergefahren und Bewegungen werden eingestellt. So erholt sich der Körper von den Anstrengungen des Tages.
REM-Schlaf: Erlebnisverarbeitung im Traum
Im REM-Schlaf, der sich an den Tiefschlaf anschließt, wird der Muskeltonus noch weiter reduziert. Jetzt sind die Muskeln nahezu vollständig erschlafft. Gleichzeitig verlässt das Gehirn den Ruhemodus und zeigt Anzeichen erhöhter Aktivität.6 Die schnellen Augenbewegungen (Rapid Eye Movement) hinter geschlossenen Lidern, die dem REM-Schlaf seinen Namen geben, zeugen ebenfalls davon, dass unser Gehirn in dieser Schlafphase sehr aktiv ist.
Während des REM-Schlafs träumen wir. Weckt man Menschen während einer REM-Phase auf, werden sie oft aus wilden, phantastisch anmutenden Träumen in prächtigen Farben herausgerissen. Am nächsten Morgen können sie sich an diese Träume meist nicht mehr erinnern.
Träume sind wichtig, um die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten. Dabei steht die emotionale Verarbeitung im Vordergrund, was sich in dem sehr bildhaften Charakter der Träume widerspiegelt, die offenbar aus tiefen, unbewussten Persönlichkeitsschichten hervorgehen.
Gerade in der heutigen Zeit stürmt tagsüber eine Vielzahl von – positiven und negativen – Erlebnissen auf uns ein, die meist erst einmal ungefiltert und unverarbeitet bleiben. Erst im REM-Schlaf finden wir Gelegenheit uns damit auseinander zu setzen. Für unser psychisches Wohlbefinden ist der REM-Schlaf deshalb von unschätzbarer Bedeutung.
Lernen im Schlaf – da ist was dran
Darüber hinaus wird der REM-Schlaf mit Lernen und Erinnern in Verbindung gebracht. Es bringt also tatsächlich etwas, wenn man sich nachts das Mathebuch unter das Kopfkissen legt? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Trotzdem ist etwas dran am Lernen im Schlaf.
Das zeigt ein einfaches Experiment: Zunächst lässt man Testpersonen neue Wortpaare lernen. Eine Gruppe darf anschließend schlafen, während die andere die Nacht über wach bleiben muss. Am nächsten Tag werden die neu gelernten Wortpaare dann abgefragt und dabei zeigt sich immer dasselbe: Die Schläfer können sich deutlich besser an das Gelernte erinnern als die Nicht-Schläfer.7
Wenn wir etwas lernen, werden Nervenzellen in einem bestimmten Muster und einer bestimmten Reihenfolge aktiviert und miteinander vernetzt. Wollen wir das Gelernte später wieder abrufen, werden die Nervenzellen exakt entlang dieser Gedächtnisspur erneut aktiviert.
Im Schlaf werden Gedächtnisspuren, die sich am Tag zuvor ausgebildet haben, offenbar trainiert und so verfestigt.8 Man kann Aktivitätsmuster im Gehirn sichtbar machen und zeigen, dass neue Gedächtnisspuren im Schlaf wiederholt „aufleuchten“.9 An der Verfestigung von Lerninhalten scheinen sowohl Tiefschlaf als auch REM-Schlaf beteiligt zu sein. 10,11 Dass der Schlaf Auswirkungen auf die Gedächtnisleistung hat, darauf weist auch eine Studie hin, der zufolge zu wenig REM-Schlaf das Demenzrisiko ansteigen lässt.12
Zu wenig REM-Schlaf, höhere Sterblichkeit
Während des REM-Schlafs scheint noch mehr zu passieren. Anders lässt sich nicht erklären, dass zu wenig REM-Schlaf mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden ist. Das haben gleich zwei Langzeitstudien ergeben, deren Ergebnisse 2020 publiziert wurden.13 Tausende Amerikaner wurden über bis zu zwanzig Jahre hinweg beobachtet, wobei in regelmäßigen Abständen eine Untersuchung im Schlaflabor erfolgte. Bei Menschen mit verkürztem REM-Schlaf war vor allem die Sterblichkeit infolge Herz-Kreislauf-Komplikationen erhöht.
OSA – gestörte Schlafarchitektur mit Folgen
Eine intakte Schlafarchitektur ist entscheidend für die Erholsamkeit des Schlafs, wobei Tiefschlaf und REM-Schlaf eine besondere Bedeutung zukommt. Ist die Schlafarchitektur nachhaltig gestört, büßt der Schlaf seine Erholungsfunktion ein. Das führt dazu, dass sich Betroffene – auch wenn sie lange genug schlafen – morgens nicht ausgeruht fühlen und tagsüber ständig müde sind.
Chronische Tagesmüdigkeit ist typisch für die Obstruktive Schlafapnoe (OSA), bei der es während des Schlafs wiederholt zu Atemaussetzern kommt. Unbehandelt ist die OSA mit gesundheitlichen Risiken wie Bluthochdruck und Herzkrankheiten verbunden. Dabei scheint eine Rolle zu spielen, dass die Atemaussetzer immer wieder zu Unterbrechungen der wichtigen Tiefschlaf- und REM-Schlaf-Phasen führen. Bis ins letzte Detail sind die Zusammenhänge aber noch nicht geklärt. Die Erforschung des Schlafes bleibt also hochspannend und lässt auch mit Blick auf die Obstruktive Schlafapnoe weitere Erkenntnisse erwarten.
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text allgemein das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierung umfasst gleichermaßen alle Personen und soll keine Diskriminierung darstellen.
Referenzen
1 Universitätsklinikum Regensburg. Online verfügbar unter www.ukr.de/kliniken-institute/innere-medizin-2/Medizinische_Leistungen/Schlaflabor/Gesunder_Schlaf/; Zuletzt abgerufen: November 2020
2 Zulley J. Die Physiologie des Schlafes. Online verfügbar unter epub.uni-regensburg.de/19970/1/ubr07567_ocr.pdf; Zuletzt abgerufen: November 2020
3 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Online verfügbar unter www.gesundheitsinformation.de/was-passiert-bei-einer-elektroenzephalografie-eeg.3195.de.html; Zuletzt abgerufen: November 2020
4 Maschke C, Hecht K. Schlaf und Lärm. Praktische Arbeitsmedizin 2007. Online verfügbar unter bsafb.de/media/pa7_3_2007_schlaf_und_laerm.pdf; Zuletzt abgerufen: November 2020
5 Universität Bern: Schlaf fürs Gehirn. 2019, Online verfügbar unter www.unibe.ch/unibe/portal/content/e796/e800/e10902/e10903/e777363/leftcol777365/up_176_ger.pdf; Zuletzt abgerufen: April 2021
6 Lorenzen K. Schlaf, Schlafstadien, subcortikale Steuerungszentren, Informationsaufnahme im Schlaf. Online verfügbar unter www.grin.com/document/96338; Zuletzt abgerufen: November 2020
7 Vogt R. Lernen im Schlaf. dasgehirn.info 2012; Online verfügbar unter www.dasgehirn.info/handeln/schlaf-und-traum/lernen-im-schlaf; Zuletzt abgerufen: November 2020
8 Nissen C. Schlafen für ein besseres Gedächtnis? Online verfügbar unter www.forschung-und-lehre.de/karriere/schlafen-fuer-ein-besseres-gedaechtnis-126/; Zuletzt abgerufen: November 2020
9 Eschenko O: Wie das Gedächtnis im Schlaf aufgebaut wird. Forschungsbericht der Max-Planck-Gesellschaft 2012. Online verfügbar unter //www.mpg.de/6804083/jb_2012; Zuletzt abgerufen: November 2020
10 Diekelmann S, Born J: The memory function of sleep. Nat Rev Neurosci 2010;11(2):114-26. Online abrufbar unter www.nature.com/articles/nrn2762-c2">www.nature.com/articles/nrn2762-c2; zuletzt abgerufen: November 2020
11 Diekelmann, S., Steiger, A. Gedächtnis und Schlaf. Somnologie 2016 20, 6–7. Online verfügbar unter link.springer.com/article/10.1007/s11818-016-0040-1; Zuletzt abgerufen: November 2020
12 Pase M et al. Sleep architecture and the risk of incident dementia in the community. Neurology 2017; Online verfügbar unter n.neurology.org/content/89/12/1244.abstract; Zuletzt abgerufen: November 2020
13 Studie: Menschen mit wenig REM-Schlaf sterben früher. Deutsches Ärzteblatt 2020. Abrufbar unter www.aerzteblatt.de/nachrichten/114447/Studie-Menschen-mit-wenig-REM-Schlaf-sterben-frueher; Zuletzt abgerufen: November 2020
14 Fietze, I., Ficker, J.H., Heiser, C. et al. Wenn CPAP nicht genutzt oder nicht vertragen wird – Vorschlag für eine standardisierte Terminologie. Somnologie 24, 102–105 (2020).